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3 Gründe, warum es in Afrika keine Schreibabys gibt

Warum gibt es sogenannte Schreibabies nur in den Industrieländern? Oder gibt es sie etwa auch bei "Naturvölkern"?

Was sind die Ursachen dieses Phänomens, für das fast jeder in seinem Umfeld ein Beispiel kennt? Und was sind die Ursachen dafür, dass es Schreibabys in Afrika nicht gibt? 

Pflege und Erziehung gerade der Allerkleinsten kann sehr, sehr unterschiedlich sein! Familienleben, Arbeits- und Gesellschaftsformen ebenso. Eigentlich kann man nicht einen einzelnen Aspekt wie das Schreibaby isoliert betrachten. Aber ein paar Unterschiede im Umgang mit Kleinkindern in Deutschland und Westafrika sind auffällig und erwähnenswert:

1. Kinder haben ist normal.

Wie viele Babys gibt es in deinem Umfeld, lieber Leser? Aktuell gar keins? Nun, das ist der erste Unterschied zu afrikanischen Gesellschaften: Dort ist rund ein Drittel der Bevölkerung unter 15 Jahren, das heißt, dass jeder von klein auf den Umgang mit Babys kennt. Von Generation zu Generation überliefertes Wissen und das Leben in Großfamilien führen dazu, dass Mutterschaft als selbstverständlich und nicht als Herausforderung angesehen wird. 

schreibaby ursachen

Die Kehrseite der Medaille soll nicht unerwähnt bleiben: Bei einer Geburtenrate von durchschnittlich 7 Kindern pro Frau (Niger) sowie bis zu vier Ehefrauen pro Mann (islamische Regionen) ist es schlicht notwendig, dass die älteren Kinder in die Erziehung der jüngeren - ebenso wie in Haushalts- und Arbeitstätigkeiten - stark eingebunden sind. Auch Schule und Bildung waren etwa nicht für alle 24 Kinder meines Nachbarn in Ouagadougou ein besonders relevantes Thema...

2. Kinder werden gestillt.

Afrikanische Babys werden grundsätzlich gestillt. Kein Arzt und keine Hebamme fragt die Mutter, ob sie stillen möchte. Keine Mutter fragt sich, ob sie stillen kann. Es ist selbstverständlich, und zwar ungefähr zwei Jahre lang, wie es sogar die WHO empfiehlt. In manchen Kulturen sogar deutlich länger, häufig bis zur nächsten Schwangerschaft. 

Problem: Westliche Babynahrungsunternehmen werben auch im globalen Süden massiv für ihre Produkte. Daher kaufen nicht wenige Mütter ab und an Säuglingsnahrung in der Meinung ihrem Kind etwas Gutes zu tun, etwas besonders Gesundes zu geben. Da aber häufig kein sauberes Trinkwasser vorhanden ist, nicht abgekocht wird oder die Trinkbehälter nicht sauber genug sind, führt gerade das nicht selten zu üblen Durchfällen und Bauchkrämpfen bei Kleinkindern.

3. Immer im Tragetuch dabei.

Wie kann man zwei Jahre stillen und gleichzeitig arbeiten - abhängig beschäftigt oder aber auch im Haushalt?

Ebenfalls ganz selbstverständlich: Das Kind kommt mit! Afrikanische Kinder spüren in der ersten Zeit ihres Lebens rund um die Uhr ihre Mutter ganz nahe. Sie werden getragen, zumindest bis sie laufen können, und zwar auf dem Rücken in einem "normalen" Stofftuch, sodass die Mutter beide Hände frei hat für die anderen Kinder, für ihre Arbeiten, für den Lenker ihres Motorrads oder sonstiges. 

Die erst ab dem 19. Jahrhundert in Serie produzierten Kinderwagen, wie wir sie kennen, würden über die zumeist sandigen Pisten Westafrikas ohnehin nicht geschoben werden können...

In Deutschland lebende Afrikanerinnen haben nach meiner Beobachtung übrigens fast alle einen Kinderwagen. Ob sie häufiger Schreibabys haben als in der Heimat, wäre vielleicht eine Studie wert. 

  Schreibaby Ursachen Afrika

Auf dem Bild sieht man meine burkinische Arbeitskollegin mit ihrem Sohn während einer Mittagspause. Wie alle in ihrem Umfeld (jedenfalls alle, die überhaupt Arbeit haben) bringt sie ihr Kind mit. Sie trägt es den ganzen Tag mit sich, stillt es und kümmert sich - 24 Stunden täglich. So kennt sie das. Alle Frauen, die sie kennt, machen das so. Alle Menschen, die sie kennt, erwarten und akzeptieren es so. Morgens kommt das Kind im Tragetuch mit ihr an, abends fährt es im Tragetuch mit ihr auf dem Moped heim. Es ist ein ausgeglichenes, zufriedenes Kind, seine Bedürfnisse nach Nähe und Nahrung sind rund um die Uhr gestillt.

Was heißt das nun?

In Afrika gibt es keine Schreibabys. Natürlich gibt es Babys, die schreien, das ist normal. Aber das Krankheitsbild, wie es in Deutschland beschrieben wird, ist dort nicht bekannt. Das mag an fehlenden Diagnosemöglichkeiten liegen, es mag nicht erkannt und darum ignoriert werden, es mag im Einzelfall vielleicht doch existieren. Auch kann man die obigen drei Punkte nicht als Garantie verstehen um kein Schreibaby zu bekommen. 

Nichtsdestotrotz scheint das Wissen um Schwangerschaft, Geburt und Babys in Afrika noch weitaus natürlicher und ursprünglicher zu sein, wohingegen es in Europa häufig stark technisiert und pathologisiert wird. Eine Freundin erzählte mir, dass sie nachts stündlich die Flasche für ihr Neugeborenes machen und in sein Zimmer bringen muss. Mit dem Vergleich zu Afrika im Hinterkopf ist das ein Stress, den man sich mit Stillen und ständigem (zumindest in der ersten Zeit) Zusammensein vielleicht so einfach ersparen könnte. 

In diesem Sinne können wir in den Industrieländern vielleicht auch einmal von Afrika lernen und aufhören, unsere Errungenschaften (?) von Aptamil und Milupa über Kinderwagen bis hin zur einjährigen Elternzeit auch noch ins letzte Eckchen des Erdballs zu exportieren.

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